Freitag, 20. Mai 2016



Nachlese 6.5.  2016                         Christian Brehmer

Unsere Runde war gut aufgestellt, nicht zuletzt durch zwei "Novizinnen",  die uns durch ihre  Weisheit, gewachsen im Leben, bereicherten.
Mit Jürgens Thesenpapier (s. Vorschau zum 6.5.) gab es reichlich Stoff zur Diskussion. Herausgestellt wurde u.a. die Hilflosigkeit der Politik gegenüber dem Großkapital. Als Beispiel das kontroverse TTIP (Transatlantiche Handels- und Investitionspartnerschaft):
Bislang fanden die Verhandlungen fast ausschließlich unter den Lobbyist/Innen internationaler Großkonzerne statt. Das Europäische Parlament wird lediglich informiert und ist zur Geheimhaltung verpflichtet. Hinter TTIP versteckt sich ein massiver Angriff auf alles, was uns wichtig ist: soziale Sicherheit, Arbeitsrechte, Umweltlschutz, nachhaltige Landwirtschaft, Demokratie u.a.mehr. 
Das gleiche Dilemma klingt an in dem von Jürgen eingebrachten Vortrag von Rainer Mausfeld, Uni Kiel: "Warum schweigen die Lämmer?"
Der Vortrag behandelt das Problem dominierender Minderheiten und der schweigenden Mehrheit in der modernen Demokratie...
"Dominanz der Wall Street, d.h. Herrschaft der 200 reichsten Familien, die 'Affluent Society'. Verfestigte Institutionen stehen den Wählerwünschen der 90%-Mehrheit entgegen. Die Wahrheit wird bewusst manipuliert, Ängste werden geschürt (fear mongering), die Masse wird narkotisiert. Meinungen werden durch affektive Techniken gesteuert. Ständige Wiederholung dient der Überredung. Folgen werden unsichtbar gemacht, Empörung eingedämmt oder umgeleitet. - Was kann uns davor schützen? Schwachstellen des Menschen, seine Verfügbarkeit sind aufzudecken, das natürliche Immunsystem zu stärken. Also letztlich hilft nur Aufklärung. ´Was wir tun, hängt von dem ab, was wir wollen.`"      (Sonderbares Fazit! Binsenweisheit? Truism?) 
Chris: Was wir wollen, hängt von dem ab, was wir sind, von unserem Bewusstsein. Und das lässt sich erweitern. Gandhi: "Du selbst bist die Veränderung, die du dir erwünscht von dieser Welt."
Jürgen: Rainer Mausfeld hat sicher mit seiner Analyse in vielem Recht. Er betrachtet die Welt aus der Sicht eines kritischen Soziologen, der sich auf den amerikanischen Kapitalismus eingeschossen hat und mit Recht auch auf politische Fehlentscheidungen hinweist, mit ihren verheerenden Folgen, Kriegen und Opfern. Der Rest der Welt bleibt weitgehend ausgeblendet. Die oben zitierten "Schwachstellen" des Menschen, seine "Natur", seine biologischen Wurzeln verdienten sicher noch eine vertiefte Betrachtung.
Chris: Zu dieser vertieften Betrachtung gehört auch das Potenzial des Menschen. Er kann sein Bewusstsein von eingrenzenden Gedanken befreien, z.B. durch Meditation, um das reine Bewusstsein, die Quelle der intuitiven Intelligenz zu erfahren: Die Lämmer werden  zu Löwen. 
                                                                                          
 Vorschau 3.6. 2016                          Jürgen Staas    
Verstand  –Vernunft – Glaube 

„Die Raumfahrt ist ein Triumph des Verstandes,  aber ein Versagen der Vernunft.“ So lautete ein kritisches Fazit in den 60/70er Jahren,  als Sputnik und Mondlandung die Menschheit bewegten. Das Beispiel macht den Unterschied zwischen Verstand und Vernunft sofort nachvollziehbar deutlich.  Verstand (lat. Intellectus, von inter legere, zwischen-den Zeilen- lesen,  begreifen.)  Wir sprechen vom scharfen Verstand, der fähig ist, zu analysieren, kritisch zu hinterfragen.  Deshalb ist der „Intellektuelle“ bei politischen und religiösen Autoritäten so unbeliebt.  Er kann „zersetzend“ und destruktiv wirken.  - Der Verstand erforscht aber auch die Naturgesetze, die dann Anwendung in der Technik finden, nicht immer zum Segen der Menschheit.–  Die Vernunft dagegen (lat. ratio,  frz. la raison, oder le bon sens,  engl. reason oder common sense) bedenkt  pragmatisch-ethisch Zweckmäßigkeit und Folgen, nimmt also eine moralische Wertung vor.  Nach Descartes (Discours de la méthode) ist der gesunde Menschenverstand die am besten verteilte Sache der Welt!  Unterschiede erklären sich daraus, dass die Menschen ihre Gedanken auf verschiedene(n) Wege(n) führen. Aus heutiger Sicht wohl eher eine naiv dualistische Sichtweise. – Und er Glaube?  Er steht sicher der Vernunft näher als der Verstand. Das deutsche Wort „glauben“ ist doppeldeutig.Die Theologen unterscheiden die fides qua creditur  von der  fidesquaecreditur.  Letztere bedeutet glauben im Sinne von für wahr halten, etwas glauben (engl. to believe). Ist die Jungfrauengeburt oder die Auferstehung historisch wahr?  – Die fides qua creditur  dagegen ist  Glauben im Sinne von Vertrauen  (engl. faith) oder Zuversicht,   an etwas glauben, eine Haltung,  kraft derer man vertraut,  Gott oder einem anderen Menschen,  einer Religion, einer Lehre, eine Kraft, die „Berge versetzen“ kann.  Im AT ist Glaube der Bund, das Treueverhältnis des Volkes Israel zu seinem einen, eifersüchtigen Gott.  (s. Jan Assmann, „Exodus“). –  Glaube im NT ist das Vertrauen in einen gütigen Vatergott, wie er im Gleichnis vom verlorenen Sohn dargestellt wird.  Oder Martin Luther zum Glauben:  Woran dein Herz hängt, das ist dein Gott. Der kritische, unterscheidende   Verstand/Intellekt  wird dabei die Wahrheitsfrage stellen,  die Vernunft sich für die Folgen interessieren.  Dazu ein Jesus zugeschriebenes Wort:  „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“

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