Sonntag, 25. August 2019


Was ist  

Was ist    Nachschau vom 5.7.2019: Was ist Bewusstsein?
Frank                                                                                                   Frank Ziesing


Was ist Bewusstsein aus naturwissenschaftlicher Sicht?
1) Was ist Naturwissenschaft? Teilbereich der Wissenschaft, der sich mit
Erklärung der in der Natur vorkommenden Daten befasst. Diese Erklärungen
müssen falsifizierbare Datenvorhersagen beinhalten. Naturwissenschaft macht
keine Aussage über die letzte Wahrheit, sondern liefert nur praktische Modelle.
Naturwissenschaftliche Beweise gibt es nicht. In manchen Fällen benutzt man
sogar fallweise konkurrierenden Modelle, die zwar letztendlich falsch, aber
praktisch sind.
Bei naturwissenschaftlichem Vorgehen ist es üblich, Daten und Erklärungen zu
trennen.
2) Bewusstseinsmodelle
·
Die indische Tradition unterscheidet es zwei Aspekte,
Bewusstseinsinhalte (citta) und Bewusstsein-an-sich (cit). Die Bhagavad-
Gītā nennt diese auch Feld und Feldkenner. Patañjali erklärt in den Yoga-
Sūtras (4.17-19): Wahrnehmung entsteht, indem die psychische Substanz
(citta) reagiert und diese Veränderungen vom veränderungslosen
Purusha erkannt werden. Dieser Purusha (= cit) ist reine
Wahrnehmungsfähigkeit, die psychische Substanz selbst ist bewusstlos.
·
Die westliche Tradition unterscheidet nach Descartes die Außenwelt, res
extensa, und die Innenwelt, res cogitans, ohne weitere Unterteilungen.
Dies führt zur Frage, wie Leib und Seele zusammenhängen. Die
Hirnforschung zeigt, dass Reizungen am Gehirn seelische Vorgänge
hervorrufen. Daher die Auffassung, dass die res extensa die wirkliche
Grundlage ist und die res cogitans ein bloßes Epiphänomen von
materiellen Vorgängen im Gehirn.
3) Datenlage
·
Bewusstsein ist kein Objekt der Wahrnehmung, sondern inneres
Wissen. Ich weiß direkt, dass ich existiere. Ich kann alles anzweifeln, nur
nicht, dass ich es bin, der zweifelt. Ich nehme die Welt war, meinen
Körper, Gedanken und Gefühle. Nur Bewusstsein nehme ich nicht wahr,
das ist etwas was ich unmittelbar weiß. Bewusstsein ist der
Wahrnemende, nicht das Wahrgenommene.
·
Da ich mein eigenes Bewusstsein nicht wahrnehmen kann, kann ich
auch nicht das Bewusstsein anderer wahrnehmen. Vom
Bewusstsein anderer zu sprechen ist eine Schlussfolgerung, gehört also
nicht zu den anfallenden Daten.
·
Bewusstseinserfahrung istimmer hier und jetzt. Egal woher ich gerade
komme oder wohin ich gehe, meine Bewusstseinserfahrung ist immer
„hier“, nie „dort“, immer „jetzt“, nie „dann“. Irgendwo hinzugehen oder
herzukommen ist eine Schlussfolgerung.
·
Bewusstsein ist nicht lokalisierbar in der dreidimensionalen Welt.
·
Bewusstsein ist immer im Singular: Ich bin der einzigartige Zeuge der
Bewusstseinsinhalte, neben dem kein zweiter Zeuge wahrnehmbar ist.
·
Bewusstseinserfahrung ist lücken- und unterbrechungslos im Hier und Jetzt.
4) Weltmodelle
·
Dvaita
(Dualismus, Getrenntheit): Materialismus und traditionelle
Religionen. Wir sind alle voneinander getrennte Wesen.
·
Viśishtādvaita
(Einheit mit Unterschieden, Verbundenheit) Psi-Forscher
und fortschrittliche Religionen. Bei aller Verschiedenheit gibt es doch eine
Verbindung zwischen jedem und allem.
·
Advaita
(Nichtdualismus) Verschiedenheit ist illusorisch, es gibt nur ein
einziges reines Bewusstsein. Das bist du, — nicht die Persönlichkeit, die
du glaubst zu sein.

Kommentar           Jürgen Staas

Das Referat unterscheidet grundsätzlich die westliche,
naturwissenschaftliche Auffassung von fernöstlichen, indischen
"Weltmodellen". Wissenschaftliche Erkenntnisse werden induktiv gewonnen
und müssen falsifizierbar bleiben, nach K. Popper. Die moderne westliche
Wissenschaft beginnt mit Descartes und seinem "methodischen Zweifel".
Sein "cogito, ergo sum" (Ich denke, also bin ich) ist axiomatisch, also
nicht zu bezweifeln. Sein kruder Dualismus von "res extensa" und "res
cogitans" (Leib u. Seele) dagegen ist nicht mehr haltbar. Nur dem
Menschen gesteht er eine Seele zu, während Tiere für ihn seelenlose
Maschinen sind. Tierpsychologie u. Verhaltensforschung wissen heute,
dass auch Tiere - graduell verschieden - über Bewusstsein und
Intelligenz verfügen. - Was also ist Bewusstsein? Es ist unsere erlebte
Innenansicht, unsere Wahrnehmung von Sinneseindrücken und aus dem
Unbewussten aufsteigender Gefühle, Erinnerungen, Assoziationen,
Projektionen, Antrieben etc. Der Referent spricht von Reaktionen
unserer "psychischen Substanz", ein problematischer Begriff, wie mir
scheint. Das reine Bewusstsein an sich gegenüber den
Bewusstseinsinhalten sei uns unbewusst. Dem kann man zustimmen. Kritisch
klingt seine Aussage, die "res cogitans" sei wissensachaftlich gesehen
"ein bloßes Epiphänomen von materiellen Vorgängen im Gehirn". Dass
geistig-seelische Vorgänge immer an Materie gekoppelt sind, also primär
elektro-chemischen Prozessen entsprechen, scheint mir dagegen
einleuchtend. Letztlich wird uns die Beziehung der beiden Aspekte
möglicherweise immer verschlossen bleiben. Die wissenschaftliche
Entwicklung scheint mir aber insgesamt in Richtung einer ganzheitlichen
Betrachtung zu verlaufen, wie z.B. die psycho-somatische Medizin
beweist. Die vom Referenten skizzierten verschiedenen "Weltmodelle"
folgen doch auch dieser Tendenz. -

Die Aussage, dass "Bewusstseinserfahrung lücken- und unterbrechungslos
im Hier und Jetzt" geschieht, entspricht wohl dem, was die Literatur
als "Bewusstseinsstrom" entdeckt hat (s. James Joyce, Ulysses).

Noch eine kritische Anmerkung: Wie schon bei anderen Referaten fehlt
auch hier wieder ein Bezug zur Bedeutung des Vor- und Unbewussten,
dessen Gewicht doch gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, mit
all seiner Subjektivität, Zufälligkeit, Selektivität,
Unkontrollierbarkeit, Triebsteuerung, etc. ! - Kritisch zu sehen ist
auch die deutlich skeptische Haltung gegenüber der Naturwissenschaft.
Der Hinweis auf subatomare , nicht mehr als kausal zu beschreibende
Vorgänge, die Auflösung der Materie in bloße Energie und Information,
letztlich die Unerklärbarkeit der zur Diskussion stehenden Phänomene
erwiesen sich als wenig fruchtbar. sts

Protokollnotizen:  Was ist Bewusstsein?            Christian Brehmer + Klaus Burghardt

Zunächst ging es um die Frage, ob Descartes falsch gelegen (und die westliche Wissenschaft auf eine falsche
Fährte geführt!) habe: Durch das Vermischen von Theorie und Daten sei er in einen Zirkel geraten. Es sollte
heißen "Ich bin, also denke ich", nicht umgekehrt. Diese These wurden angezweifelt, allerdings nicht weiter
vertieft.
Welche Rolle spielt die in der Vorschau angesprochene W i s s e n s c h a f t ?
Die Hirnforschung kann aufzeigen, dass Bewusstseinsprozesse und mentale Zustände mit komplexen
neurobiologischen Abläufen einhergehen. „Das Bewusstsein“ kann sie - zumindest bisher - nicht erklären.
Ob das jemals möglich sein wird? Vermutlich eher nicht. Überhaupt: Die Wissenschaft kann auch zu einer
Falle werden. Sie bringt wichtige Ergebnisse. Es fehlt aber die Ethik, die Liebe. Das hat zu einer
verhängnisvollen Entwicklung geführt: Jeden Tag verhungern etwa 24.000 Menschen.
Für manche Probleme ist die Wissenschaft das falsche Instrument. Mit Physik und Chemie kann man nicht
alles lösen. Es gibt auch noch Religion, Philosophie, ... Geistige Bewegungen können Änderungen
herbeiführen: siehe die Schülerstreiks. Physik kann erklären, dass sich die Erde erwärmt. Ob wir etwas
dagegen tun, ist eine Frage der Ethik. Wenn ich weiter mein Auto fahre, ändert sich nichts. Der Mensch ist
das Problem.
Erkenntnisse müssen mit einem Weltbild harmonieren. Es gibt verschiedene Denkansätze, z.B. die
Quantenphysik. Eine Theorie, zu der alle bisherigen Erkenntnisse passen, sei die von Burkhard Heim,
betonte ein Teilnehmer.
Bei Bewusstsein geht es auch um das Verhältnis von Materiellem und Immateriellem. Die Frage, wie
M a t e r i e, Energie und Information zusammenhängen, wurde angesprochen. Was ist das Primäre? Besteht
alles letztlich gar zunächst aus Bewusstseinsinhalten, die sich dann materialisieren? “Wären das die
platonischen Ideen?"
Sogar auf die Leninsche Materiedefinition wurde hingewiesen: Demnach sei Materie alles, was unabhängig
vom Bewusstsein existiere. Die F o r m der Materie spiele dabei keine Rolle.
„Inneratomare Vorgänge“ im Körper, Elementarteilchen etc. interessieren nicht jeden. Andererseits hat sich
die Philosophie immer schon auch mit diesen Dingen beschäftigt - Beispiel: Demokrits Atome. Und heute
gibt es Ansätze, die das Bewusstsein mit Hilfe der Quantentheorie zu erklären versuchen.
Andererseits: „Gottes Schöpfung ist so komplex, dass wir sie nicht vollständig durchdringen können. Es gibt
Gebiete, die wir nicht verstehen.“
„Bewusstsein ist L i e b e“ lautete eine weitere These. Liebe kann man nicht erklären. Jeder Mensch hat die
Fähigkeit, sich mit anderen zu verbinden. Lieben kann jeder - unabhängig von Glaube und Einstellungen.
Aber: „Es gibt auch pervertierte Bewusstseinsinhalte wie Hass: Denken wir an Attentäter oder Mörder.“
Kann man auch aus Liebe morden?

Bewusstsein an sich ist Liebe.

Einstein: „Die wichtigste Erkenntnis meines Lebens ist die, dass wir in einem liebenden Universum leben.“
Alles scheint so organisiert zu sein, dass es eine harmonische Ganzheit ergibt. Andererseits: Dass sich die
Gesellschaft vorrangig an Wohlstand und Spaß/Konsum orientiert, hat uns an die Grenze unserer Umwelt
geführt. Noch einmal:  Der Mensch ist das Problem.
„Liebe ist persönlich, Energie ist nicht persönlich.“
Und wie war das noch mal mit dem f r e i e n W i l l e n? Weil Gott Bewußtsein und Willen hat, haben auch
wir Menschen Bewußtsein und einen freien Willen. Gegenthese: Die Willensfreiheit steht in Frage. „Der
Mensch ist das einzige Wesen, das sich selbst etwas vormachen kann.“


Vorschau 6.9.2019:  Religiöses Leben in Südindien -  Ein Reisebericht             Horst Schürmann

Grundlage des Abends ist Heikes und mein Besuch in den Ashrams

Muddenahalli (Sai Baba im Energiekörper;https://saivrinda.org/)

Puttaparthi (Sai Baba im Formkörper; http://www.sathyasai.org/) und

Tiruvannamalai (Ramana Maharshi;https://vedanta-yoga.de/sri-ramana-
maharshi-der-grosse-advaita-guru-sein-leben-und-werk/). Auf
den angegebenen Internet Seiten findet ihr Informationen zu Leben und

Werk des Avatars Sai Baba und des Meisters Ramana Maharshi.

Zunächst wird es in dem Eingangsreferat um eine allgemeine Darstellung

meiner Eindrücke der Reise(n) gehen.

Gesprächsgrundlage des Abends ist zum einen, die zentrale Frage, die sich

Ramana Maharshi stellte:

Wer bin ich?

Ich bin nicht der Körper, da dieser vergänglich ist. Anders gefragt: Was ist nicht der Veränderung unterworfen, ewig? Zum anderen, ein Zitat von Sai Baba:
"Es gibt nur eine Sprache, die Sprache des Herzens. Es gibt nur eine Kaste, 
die Kaste der Menschheit. Es gibt nur eine Religion, die Religion der Liebe. 
Es gibt nur einen Gott, er ist allgegenwärtig."
In Fortführung der Philosophenrunde vom 05.07.2019 schwingt natürlich

auch hier die menschliche Bewußtseinsentwicklung von Identifikation mit

Form, Emotion, etc. über die „Erfahrung“ Gott i s t (dwaita: Getrenntheit);

Gott ist in mir („quasi Adwaita“: Verbunden-heit); bis hin zu Gott und Ich

sind eins (Adwaita: Einheit) mit.