Freitag, 17. Mai 2013

 
Beitrag zur Diskussion am 3.5. 2013 von Angela Muselmann-Bruhn
 (Nachlese 3.5. 2013 s. weiter unten)
 
 Freud an seine Vertraute Lou Andreas-Salome :
“ Hier ist meine geheime Schlussfolgerung : Da wir unsere gegenwärtige Zivilisation -die von allen am meisten entwickelte- nur als eine gigantische Heuchlerei betrachten können, muss daraus folgen, dass wir im Grunde nicht für sie geschaffen sind. Wir werden abdanken müssen, und der große Unbekannte oder der große Manitu, der hinter dem Schicksal steht, wird dieses Experiment mit einer anderen Rasse wiederholen.“

So pessimistisch möchte ich das nicht sehen, dem Menschen möglich, ist etwas anderes, wenn wir nicht mehr versuchen, Seiten unseres Menschseins zu verdrängen und den Menschen an die Gesellschaft an zu passen, sondern lernen wieder unseren Gefühlen Ausdruck zu geben, lernen selbst gut für unsere Bedürfnisse zu sorgen und dann aus dieser Authentizität heraus, wird es auch möglich werden, im Sinne von Hannah Arendt ins politische Handeln zu kommen.
Diese erforderliche emotionale Reife, trotz Demokratie seit 1945, scheint mir jedoch auch 2013 noch nicht zahlenmässig in unserer Gesellschaft ausreichend zu sein, wie die vielen psychosomatischen Krankheiten und das politische Desinteresse zeigen.
Der Mensch ist mit sich selbst beschäftigt, mit der von ihm geforderten Anpassungsleistung und dem Versuch, sein daraus resultierendes Mangelgefühl, auf Umwegen zu befriedigen.
Es stellt sich die Frage, wie Persönlichkeitsbildung aussehen sollte, um Menschen zum verantwortlichen politischen Handeln zu befähigen.
Kinder zum selbstbewussten Kämpfen für ihre eigenen Interessen zu erziehen, erscheint mir nicht der sinnvolle Weg zu sein ( würde dies als Erziehung zum Ich-Bewusstsein bezeichnen wollen, da für mich, zum wahren Selbst-bewusstsein, immer der Einschluss, Ich als Teil des Ganzen, das Wohl aller mit in die Entscheidungen einschließt).
Die Schule muss sich der emotionalen Alphabetisierung annehmen,
wenn sie nicht Untertanen, brave Konsumenten oder narzisstisch Erfolgreiche mit Kapital und Macht produzieren möchte,
sondern mündige und politisch verantwortlich handelnde Weltbürger.
Damit meine ich, Erziehung zu mehr  Autonomie,
durch gezielte Sinneswahrnehmungsschulung des eigenen Körpers und des bewertungsfreien Beobachtens,
erlernen der bewussten  Affektregulation und Selbstmotivation
und üben von Kooperation und Konfliktlösung,
damit endlich fürs Leben und nicht nur für die Schule gelernt wird.
Inhalte sind das Spielzeug, mit dem immer neu, diese Kompetenzen geübt werden können.
Da Kinder durch Erfahrung lernen, so lernen Kinder am besten Respekt, wenn sie selbst respektvoll behandelt wurden,
wenn sie in ihrer Ganzheit angenommen werden, mit ihrer Angst, Freude, Neugier und Zorn
und sie begleitet werden, damit umgehen zu lernen, statt so zu tun, als dürfen diese natürlichsten Gefühle gar nicht sein und könnten an der Gardarobe abgegeben werden.
Wieviel Energie wird wohl freigesetzt werden,
wenn der Kampf gegen die eigene Natur nicht mehr notwendig ist
und nach außen gerichtet, in Kreativität und Mitverantwortung umgesetzt werden könnte?
Begrüßen wir die neuen Weltbürger mit „ Willkommen, Du darfst Du sein,  lehre du uns, wieder besser unsere natürlichen Bedürfnisse zu erkennen, denn hier läuft einiges schief, hier gibt es viel zu verändern, beschenke uns mit deinen Ideen und Fähigkeiten, wir brauchen Dich, damit wir alle gesund und verbunden miteinander leben lernen.“


Vorschau 7.6. 2013: Vedische Philosophie (Peter Bayreuther, Christian Brehmer) 


Aus der umfangreichen vedischen Philosophie hat im Westen vor allem das System des Yoga Eingang gefunden. Es beinhaltet nicht nur Theorie, sondern schwerpunktmäßig Praxis und Erfahrung. 11 Millionen Bundesbürger praktizieren Yoga.  
Yoga bedeutet Einheit mit der Seele und damit mit Gott. Es wird in der vedischen Philosophie davon ausgegangen, dass es eine höhere Intelligenz (Buddhi) der intuitiven Unterscheidungskraft gibt, die über dem weltlichen Intellekt und den Gedanken, dem äußeren Ich (Ego) und den Sinneswerkzeugen steht. Es geht darum, sich mit dieser höheren Intelligenz durch Yoga zu verbinden, gültiges Wissen (Vidya) zu erwerben und so unser Leben zum Guten und zur Selbstverwirklichung zu steuern und der Umwelt zu dienen.
Eine populäre Einführung in die  vedische Philosophie und das Hintergrundwissen des Yoga vermittelt die Bhagavad Gita, der „Göttliche Gesang“. Wilhelm von Humboldt nannte es „das schönste, ja vielleicht das einzige wahrhaft philosophische Gedicht der Weltliteratur“.
 


Nachlese 3.5. 2013
Hannah Arendt                                                                       Text: Christian Brehmer

Ja, unsere letzte Runde war eine runde Sache. Zwar ist der Tisch an dem wir sitzen rechteckig,  aber es ging rund wie immer. Nach unserer philosophischen Tiefenexkursion mit Hinführung zur Sophia und anschließender  Sharing-Runde ging es zur Sache. Und die Sache hieß diesmal Hannah Arendt. Wir hatten ein feuriges Impuls-Referat von der Kunsthistorikerin Roswitha Pentzeck, von der man geradezu eine Seelenverwandtschaft zu der großen („orangenen“) Polit-Philosophin spürte. Aus dem von  ihr verfassten Paper gingen zwei Thesen hervor, die hier wiederholt und kurz kommentiert werden sollen.
These 1: Nicht das Sein des Menschen im Singular, sondern das Handeln der Menschen im Plural stellt Hannah Arendt in den Mittelpunkt! Den Philosophen der Vergangenheit – einschließlich Aristoteles (zoon politikon) bis hin zu Nietzsche und Marx – attestiert sie mangelnden Tiefgang des Denkens. Lediglich bei Platon sah sie ihr Ideal der Politik am ehesten verwirklicht.
Kommentar: Das Sein des Menschen wird hier existenziell gesehen, nicht ontologisch, d.h. der Möglichkeit nach im SEIN, der Sophia gründend. Hier liegt das ganze Dilemma der Flachland-Philosophie. Denn ohne Bezug zur Sophia hat alles Denken und Handeln des Menschen im Singular oder im Plural nur den Intellekt als Orientierung. (Hier könnte man Arendt mangelnden Tiefgang vorwerfen.)
These 2: Handeln vollzieht sich in einem öffentlichen Raum, in dem eine Pluralität von Menschen frei miteinander verkehrt und in Rede und Gegenrede um das Wohl ihrer Gemeinschaft besorgt und bemüht sind. Es ist nach Arendt die höchste und wichtigste Form menschlicher Tätigkeit.
Kommentar: Wenn der Bezug zur Sophia fehlt, ist Rede und Gegenrede zur Wahrheitsfindung im demokratischen Prozess durchaus wertvoll. Seine Grenzen werden uns aber in der zerstrittenen Politik und der chaotischen Verwaltung unseres Planeten vor Augen geführt. Eine Vita Aktiva, die nicht in einer Vita Contemplativa gründet, hat keine gültige Orientierung und mündet in Aktivismus und Verschlimmbesserungen.