Mittwoch, 25. September 2019


 Vorschau 4.10.2019: Ethik ist wichtiger als Religion
                                                                 Christian Brehmer

Zum Kongress "GanzMenschSein" an der Landesturnschule in Melle Anfang September d.J. hielt Dr. Franz Alt, Fernsehjournalist und Bestseller-Autor, den Eröffnungsvortrag "Ethik ist wichtiger als Religion". Er berief sich dabei auf den gleichnamigen Appell des Dalai Lama an die Welt im Jahre 2015. Einige aus unserer Runde waren wohl dabei. Wir wollen das Thema am kommenden Freitag noch einmal aufgreifen, zumal unsere anvisierte Referentin, Frau Marlies Meyer, verreist ist. Die Schrift des Dalai Lama "Ethik ist wichtiger als Religion" mit einem Vorwort von Franz Alt können wir bei Google als PDF herunterladen (1. Seite, 3. Eintrag).  Das brisante Thema soll erneut Grundlage unseres Gesprächs am 4.10. sein. 

Dalai Lama: Ethik ist wichtiger als Religion                          Klaus Burghardt

  »Ich denke an manchen Tagen, dass es besser wäre, wenn wir gar keine Religionen mehr hätten.“
Wie kommt ein Religionsführer zu einer solchen Aussage? Was kritisiert er an Religionen? Was soll sie ersetzen?
„ Alle Religionen (...) bergen ein Gewaltpotential in sich. Deshalb brauchen wir eine säkulare Ethik jenseits aller Religionen.“ Und: »Ethik ist wichtiger als Religion. Wir kommen nicht als Mitglied einer bestimmten Religion auf die Welt. Aber Ethik ist uns angeboren.«

WAS MACHT DIESE ETHIK AUS? 
* „Achtsamkeit, Bildung, Respekt, Toleranz, Fürsorge und Gewaltlosigkeit.“ 
* „eine in uns Menschen angelegte Neigung zur Liebe, Güte und Zuneigung“
*„Mehr Achtsamkeit gegenüber allem Leben, auch gegenüber Tieren und Pflanzen.“
* Die säkulare Ethik soll auch für Atheisten und Agnostiker „hilfreich und brauchbar“ sein.
             „Dabei möchte ich keine moralischen Werte diktieren – das würde niemandem nutzen.“ „Deshalb halte ich Ethik nicht für die Summe von Geboten und Verboten, die es zu befolgen gilt, sondern für ein natürliches, inneres Angebot, das uns zu Glück und Zufriedenheit mit uns selbst und mit anderen führen kann.“ 

Der Mensch soll sich einmischen, Verantwortung übernehmen. Es geht um globale und grundlegende Probleme:
Umweltzerstörung, Klimawandel, das Risiko eines selbstmörderischen Atomkriegs, Überwindung von Egoismus, Nationalismus, Gewalt. Gewaltfreiheit ist „intelligente Feindesliebe“, Dialog ist die einzig sinnvolle Methode zur Lösung von Konflikten. „Außer in seltenen Ausnahmefällen führt Gewalt immer zu neuer Gewalt. Krieg ist in unserer vernetzten Welt nicht mehr zeitgemäß und widerspricht der Vernunft und der Ethik.“ „Die Hauptursachen für Kriege und Gewalt sind unsere negativen Emotionen.“ „Waffenexporte sind ein großes Hindernis für mehr Frieden.“
        „Abrüstung ist praktiziertes Mitgefühl. Voraussetzung einer äußeren Abrüstung ist allerdings eine innere Abrüstung von Hass, Vorurteilen und Intoleranz.“

WAS IST ZU TUN?
„Für eine weltweite säkulare Ethik bedarf es freilich noch weltweiter Forschung. Darüber bin ich mir mit vielen Wissenschaftlern einig, vor allem mit Hirnforschern, Neuropsychologen und Pädagogen. Die moderne neurobiologische Forschung legt nahe, dass sich altruistisches und weniger egoistisches Verhalten für a l l e lohnt.“
„Sicher ist jedoch, dass eine säkulare Ethik eine Schulung des Herzens, viel Geduld und ausdauerndes Bemühen erfordert. Und klar ist auch, dass eine wirklich hilfreiche säkulare Ethik nicht nur eine Frage des Wissens ist, sondern noch mehr eines Frage des Handelns. Wir wissen ja oft, was wir tun, aber wir tun nicht, was wir wissen.“
„Ich schlage vor: mehr zuhören, mehr nachdenken, mehr meditieren.“ „Wir müssen also nachdenken, nachdenken, nachdenken. Und forschen, forschen, forschen.“
„Ich blicke mit Freude dem Tag entgegen, an dem Kinder in der Schule die Grundsätze der Gewaltlosigkeit und der friedlichen Konfliktlösung, also der säkularen Ethik, lernen.“ „Es gibt viele Möglichkeiten, die Welt zu verbessern, ein Umdenken zu bewirken: (...) Ich denke, dass wir dies hauptsächlich durch Bildung erreichen können.“
    
           „Durch intensives Meditieren werden wir feststellen, dass Feinde unsere besten
 Freunde werden können.“
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säkular: „weltlich, der Welt der (kirchlichen) Laien angehörend“ (duden.de)

Agnostiker = „Weltanschauung, nach der die Möglichkeit einer Existenz des Göttlichen bzw. Übersinnlichen rational nicht zu klären ist, also weder bejaht noch verneint wird“ (duden.de)


Nachschau 6.9.2019: Tiefenphilosophie und Aspekte  indischer Philosophie                       Christian Brehmer
  
Ausgehend von dem Reisebericht durch Südindien von Horst Schürmann (s. Vorschau 6.9.), kam es  u.a.  zu einem Gespräch  über die tiefenphilosophische Methode des indischen Meisters Ramana Maharshi. Abendländische Philosophen ziehen  auf dem Weg zur Erkenntnis meist – akribisch – den Verstand heran. Hingegen gilt es in der klassischen indischen Philosophie den Verstand zu transzendieren, einen höheren Erkenntnismodus freizulegen, um dann über  Erkenntnisse zu reflektieren.
      Jegliche Erkenntnis aber wird vom Subjekt geleistet. Also gilt es erst einmal den Erkennenden als Subjekt und seine Strukturen der Erkenntnis zu erforschen. In der griechischen Antike bezeichnete man diesen Ansatz treffend als „Erste Philosophie“. In dem  gleichen Bestreben postulierte im 18. Jahrhundert  Immanuel Kant  in seiner „Kritik der reinen Vernunft“  ein „transzendentales Subjekt“ als Grundlage jeglicher Erkenntnis.  Man kann es aber nicht erkennen, eben  weil es alle Erkenntnis überschreitet, so Kant.    Wer sagt aber, dass alles Erkennen in der Subjekt – Objekt Spaltung erfolgen muss? Gibt es nicht auch unmittelbare Erkenntnis? Spontane „Aha – Einsichten“  zum Beispiel?
      Ramana Mahrshi empfiehlt allen Suchern nach letzter Wahrheit, sich die Frage zu stellen „Wer bin ich?“. In der aufrichtigen Suche nach (transzendentaler) Selbsterkenntnis muss der Sucher erkennen, dass er nicht der Körper ist, denn dieser ist vergänglich. Er muss erkennen, dass er nicht seine Gedanken, Gefühle oder sonstiger geistigen Vorgänge ist, denn diese sind ständigem Wandel unterworfen. Wenn man alles ausschließt , bleibt nur noch das reine Bewusstsein, das zwar die Leere an Inhalten ist, aber die Fülle an Dasein. Letzteres ist eine Erfahrung, die durch nichts anderes vermittelt werden kann als durch sich selbst. Sie lässt sich aber neurowissenschaftlich definieren durch das sie begleitende spezifische EEG Muster der Gehirnaktionsströme. Sie lässt sich aber auch bestätigen – bei regelmäßiger Erfahrung – durch die wohltuenden Auswirkungen auf die geistige und körperliche Gesundheit.
     Zu Beginn unserer Philrunde versuchen wir in unserer Entspannungsreise / Meditation, dem gleichen Vorgang vereinfacht  nachzugehen. Nach einer Körper- und Atemerfahrung z.B. können wir  mühelos in eine angenehme mentale Stille gleiten. Sie ist die Erfahrung der Sophia, der transzendentalen  Weisheit, auf die u.a. die Tiefenphilosophie (integrale Philosophie) abzielt.