Nachlese Philosophenrunde vom 1. Febr. 2013
(Text: Christian Brehmer)
Eigentlich sollte es ja ein Test sein, ein Test dessen,
was wir uns beim letzen Mal vorgenommen hatten: zu führen einen Dialog nach den
Prinzipien von David Bohm und nicht in eine Kontroverse abzugleiten. Denn in
einem achtsamen geführten Dialog kann ein „Wir – Feld“ entstehen, das
mehr ist als die Summe der Einzelteile und das Kreativität und Spontaneität
fördert. Zu Beginn hatten wir wieder unsere Stille-Übung gemacht als Hinführung
zur Sophia, zur Weisheit. Dann hatten
wir uns noch einmal die Zusammenfassung der Gesprächsregeln angehört. Die
Diskussion aber, die dann folgte, war zwar lebendig wie immer, allein es gab
auch Dispute, die durch Eingriff von außen bewusst gemacht werden mussten.
Eigentlich hatten wir uns ja vorgenommen, uns selbst in hitzigen Debatten von
innen her bewusst zu machen, was bei uns abläuft. Und dann erst zu sprechen.
Achtsamkeit ist die Mutter der Weisheit.
Durch die wiederkehrend auf uns selbst gerichtete
Achtsamkeit während unserer Diskussion, taucht neben dem Gegenstand der
Diskussion eine weitere Dimension auf, die Dimension des inneren Wachstums.
Das hatte sich als Thematik bei unserem vorletzten Treffen herausgebildet. Und
das ist ungewöhnlich unter Philosophen, denn jetzt thematisieren wir zwei
sich ergänzende Ebenen. Und damit können wir – vorausgesetzt wir lassen uns
darauf ein – einen doppelten Gewinn mit nach Hause nehmen: einen informativen
und einen des inneren Wachstums. Während der erstere oftmals schnell vergessen
wird, hat inneres Wachstum seinen bleibenden Wert. Es wird durch
Stille-Übungen, in denen wir uns immer wieder in die Achtsamkeit zurückholen,
gefördert, und es bewährt sich im Alltag. Handeln mit Achtsamkeit ist Handeln
mit Weisheit.
Und nun behaupte noch einmal jemand Philosophen wären
lebensfremde Theoretiker!!
Als Einstieg in unser Thema „Dürfen wir Tiere essen“
befassten wir uns mit dem Dialog zwischen den Philosophen David Precht und
Robert Spaemann, übertragen vom ZdF am 9.12.12. (s. ZdF Mediathek) „Millionen
Tiere werden in Deutschland Jahr für Jahr geschlachtet oder für Tierversuche
missbraucht. Millionenfaches Tierleid. Ist dieser Umgang mit Tieren
gerechtfertigt? Lässt es sich moralisch vertreten?“ heißt es einleitend. „Ja“,
meint Spaemann. „Aber Verzicht, wäre das Bessere, das moralisch Vollkommenere“.
Hier begann die Auseinandersetzung zwischen den beiden professionellen
Philosophen und anschließend zwischen den praktischen Philosophen in unserer Runde.
Eine radikalere Position wurde eingeführt durch einen
Video-Clip von Dr. med. Ernst Walter Henrich (www.ProVegan.info). Er vertritt
eine strikt vegane Lebensweise und führt gesundheitliche, moralische und
ökologische Gründe an: „Täglich sterben bis zu 43 000 Kinder an Hunger, während
ca. 50% der weltweiten Getreideernte und 90 % der weltweiten Sojaernte an die
„Nutztiere“ der Fleisch- und Milchindustrie verfüttert werden“. Lässt sich das
wirklich moralisch vertreten? könnte man Spaemann fragen. Die Diskussion in
unserer Runde war engagiert. Werbung wurde abgelehnt. Aber die mitgebrachten, veganen
Mürbekekse, selbstgebacken ohne Milchprodukte sprachen für sich. – Wie soll man sich verhalten als Vegetarier,
wenn man eingeladen ist und Fleisch wird serviert, war eine andere Frage, um
die es ging. Jedenfalls gab es viele Impulse zum Überdenken der eigenen
Lebensweise. Und die abschließende Phase der Stille zum Reflektieren,
Abstrahieren und (eventuell) Transzendieren war für einige zu kurz, für andere
zu lang.
Vorschau 1. März 2013
Auf ein eingebrachtes Angebot hin haben wir uns auf
das Thema „Hat der Mensch einen freien Willen? Neueste Erkenntnisse der Hirnforschung“
geeinigt.
Das Paper, das wir für unsere Vorbereitung ausgeteilt
haben, ist anspruchsvoll. Aber der Einstieg wird uns leicht fallen. Das Thema
ist hochbrisant, weisen doch materiewissenschaftliche Befunde darauf hin, dass
unsere Entscheidungsfreiheit nur ein subjektives Phänomen ist, in Wirklichkeit
aber durch Gehirnvorgänge vorherbestimmt.
Wo bleibt da die menschliche Würde? Kann man dann überhaupt noch jemand für
Fehlverhalten zur Rechenschaft ziehen? Diese Fragen und andere werden unsere
Gemüter beim nächsten Mal beschäftigen.
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