Mittwoch, 23. November 2016


Nachschau  11. Nov. 2016                                         Christian Brehmer   

Der Appell des Dalai Lama an die Welt: Ethik ist wichtiger als Religion

Der Appell wurde als Vorbereitung zu unserer Philrunde am 7.10. bereits im vollen Wortlaut in unseren Blog gesetzt. Unsere Referentin hatte die Kernaussagen in einem Thesenpapier einleitend vorgetragen. Sie hob einen entscheidenden Satz des Dalai Lama hervor: „Ich kenne keine Feinde. Es gibt nur Menschen, die ich noch nicht kennengelernt habe.“ Das gab Anlass zur Besinnung. An anderer Stelle sagt der Tibeter: „Durch intensives Meditieren werden wir feststellen, dass Feinde unsere besten Freunde werden können“. Tatsächlich berühren wir in der Tiefe der Meditation einen Grund, der uns alle miteinander verbindet und aus dem Verständnis und Mitgefühl erwächst.

    Es wurde der Einwand eingebracht, dass der Feindesliebe die biologisch gegebene Natur des Menschen entgegensteht. Apostel Paulus: „Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“ (Römer 7,19) An anderer Stelle sagt er wiederum: „…ist jemand in Christo ist er eine neue Kreatur.“ (2. Kor. 5,17) Der neue Mensch erwächst aus der Christusstille, die wir in der Meditation erfahren können.

    Ein weiterer Beitrag betonte die Menschenbildung, die Entwicklung des Ideals des Menschlichen. Hier sind Familie, Schule und Kirche gefordert. Alsdann: Religionen sollte man nicht aufgeben.  Sie sollten  sich aber einem Update unterziehen und sich mit der universellen Ethik  abgleichen. Kriege werden mehr aus wirtschaftlichen Überlegungen geführt als aus religiösen Gründen.

   Die Diskussion war lebhaft, aber die Reflexionsrunde nach der Entspannungsmusik  war besinnlich. „Eigentlich ist die Musik ein Medium, das alle Menschen eint und gleichermaßen anspricht“, so ein Kommentar.       
 
Vorschau 2. Dez. 2016                          Jürgen Staas                      
  
Was macht den Menschen empfänglich für Ideologien?

Der Begriff der Ideologie, zu Napoleons Zeit geprägt,  ist heute etwa Synonym für Weltanschauung.  Ideologien bieten retrospektiv  Erklärungsmuster für die Zustände der bestehenden Welt, ähnlich den Religionen. Der Mensch denkt kausal. Von früh auf will er wissen  „warum?“  Kinder nerven mit dieser Frage, und sie steht auf manchem Grabstein. Ideologien haben aber auch eine utopische Dimension. Sie wollen Orientierung geben hinsichtlich künftiger Entwicklungen bzw. notwendiger sozialer Veränderungen. Karl Marx: „Die Philosophen haben die Welt erklärt. Es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“  So münden Ideologien  in evolutionäre oder revolutionäre Bewegungen. Ihre Ideen bieten wie der religiöse Glaube Identifikationsmöglichkeiten. Sie provozieren dann aber auch Kritik wie die großen Dystopien des 20. Jahrhunderts.  - Die Liste der Ideologien ist lang:  Liberalismus,  Kapitalismus, Kolonialismus  (Kipling: Take up the white man's burden),  Sozialismus u. Kommunismus (Soziale Gerechtigkeit),  Nationalismus, Faschismus, Nationalsozialismus („Volk ohne Raum“), Rassismus,  Antisemitismus, etc.  Sie tendieren zum Totalitarismus,  die Wirklichkeit wird verzerrt, die Wahrheitsfrage stellt sich gar nicht.  „Ideologen sind scharfe Denker, die sich auch durch Tatsachen nicht beirren lassen.“  Wort des Tages im MK in den 60er Jahren.  Ideologien dienen oft partikularen Interessen u. schaffen verdeckte Herrschaftssysteme. Sie kultivieren Feindbilder.  Schuld sind immer die anderen. Sie entlasten von eigenen Defiziten. - Nach den verheerenden Erfahrungen des 20. Jahrhunderts wurde schon das Ende der Ideologien verkündet. Es bilden sich aber neue. Religionen können zu Ideologien entarten: Islamismus, Fundamentalismus, evangelikale Mega-Churches, wie auch Konfessionen mit ihren absoluten Wahrheitsansprüchen. Sozialistische Ideen wirken fort, weil  „soziale Gerechtigkeit“ anscheinend ein permanent kontroverses Thema ist und bleiben wird.

Fazit:  Das Bedürfnis nach Erkenntnis und Identifikation,  die Suche nach Werten und Orientierungen,  Verführbarkeit und Herdentrieb sowie  Mangel an Kritikfähigkeit sind offenbar die Gründe und Ursachen für die menschliche Anfälligkeit gegenüber Ideologien.  Gegenmittel sind Bildung,  Vermittlung von Kriterien,  Relativierung, Ironie,  Geschichte und Literatur, z.B. Voltaire, Ionesco,  Huxley, Orwell.  Zu Empfehlen: Martin Urban: Warum der Mensch glaubt.  K. Lorenz: Das sogenannte Böse. A. Koestler:  Der Mensch, Irrläufer der Evolution.

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