Nachlese 4.3.2016 „Was ist Wahrheit?“ Christian Brehmer
Jeder von uns
bekam ein Arbeitspapier mit Anregungen von Jürgen Staas, unserem
vorgesehenen aber leider erkrankten Referenten.
Unser Gespräch verlagerte sich schnell auf die
verbreitete Definition der Wahrheit als die Übereinstimmung, als „Korrespondenz“
von Aussage und Sachverhalt. Diese Korrespondenz ist abhängig von unserer
gegebenen Struktur des Bewusstseins und von unserer momentanen psychischen
Verfassung. Bei einer Depression z.B. ist unsere Wahrnehmung verzerrt.
Daraufhin kam der Einwand, dass ich auch in einer
kritischen Situation ruhig bleiben kann, in dem ich meine eigene Reaktion beobachte. Durch Selbstbeobachtung gewinne
ich Abstand zu mir selbst und kehre dadurch zurück zur Sachlichkeit. Yoga z.B.
schult diese Fähigkeit der übergeordneten Beobachtung. In ihr schwingt auch Liebe. Und Liebe ist Wahrheit.
Ein weiterer Beitrag machte auf Fixierungen
aufmerksam. Sie entstellen langfristig die Wahrheit. Oft sind wir uns dessen
nicht bewusst. Dazu gehören beispielsweise Konditionierungen, Traumata oder
psychische Blockaden. Auch hier befreit Bewusstmachung, die von mir selbst
ausgehen kann oder von der Umwelt. Bewusstmachung will eingeübt sein durch
kleine Schritte und einer nachhaltigen
Arbeit am Selbst.
Die Reflexion hat einen hohen Stellenwert, um sich der
Wahrheit anzunähern. Nach einer emotional aufgeladen Erfahrung z.B., kann ich danach
über die Situation reflektieren = sie mir wiederspiegeln. Und wenn der Geist
als Spiegel ruhig ist, „korrespondieren“ Sachverhalt und Erkenntnis. Hier sei
an die Analogie der ruhigen Wasseroberfläche erinnert, die ein klares
Spiegelbild ermöglicht (vgl. Vorschau zum 4.3.)
Letztlich kann ich mich auch durch einen weiteren Rückstieg
von der Reflexion lösen, um in der reinen Reflexion, dem Bewusstsein an sich,
der absoluten Wahrheit näher zu kommen. Da wären wir bei der Meditation, wie
wir sie zu Beginn jeder Philrunde machen. Durch ihre regelmäßige Ausübung
stellt sich Weisheit im Leben ein.
Vorschau 1.4.2016 : "Das Fremde in mir"
In Versform von Klaus Burghardt
Der Fremde (Teil I)
Da steht ein Mensch vor meiner Tür
Bedürftig, arm, exotisch, fremd
Ich staune, daß ich Angst verspür'
Als ging' es um mein letztes Hemd
Die Frage ist: Was soll ich tun?
Was raten Ethik und Moral?
Ich muß ihm helfen - hier und nun
Im Grunde bleibt mir keine Wahl
Ich schau' ihn an - er tut mir leid
Verlor, was immer er besaß
Zum Helfen bin ich wohl bereit -
Nur such' ich noch das rechte Maß
Der Philosoph hebt an und spricht:
„Es liegt im steten Teilen Sinn
Solange nämlich Dein Verzicht
Geringer ist als sein Gewinn“
Doch hab' ich noch manch and're Pflicht
Als Vater, Sohn und Ehemann
Die ich - moralisch oder nicht -
Gewiß nicht ignorieren kann
Wobei ja wohl manch Denker meint
Die Stärke des Familienbands
Das uns besonders wichtig scheint
Sei ethisch ohne Relevanz ...!?
(...)
Ich bin verwirrt
Und irritiert
Weil vieles seinen Wert verliert ...
Nichts wird so bleiben, wie es ist
Gesellschaft, Recht, Familie, Staat
Ich tipp' auf einen Kompromiß:
Halb Republik, halb Kalifat [;-)]
Der Fremde (Teil II)
Gar viele gibt es so wie ihn
Die hier zu uns nach Deutschland streben
Die dort vor Krieg und Terror flieh'n
Voll Hoffnung auf ein bess'res Leben
Die meisten finden keinen Job
Das kostet eine Menge Geld
Doch paßt der Ruf "Migranten stop!"
In unsere globale Welt?
Die Grenzen - längst schon obsolet
Für Waren und für Kapital
Sind - wenn's um Flucht von Menschen geht -
Barrieren wider die Moral
Nur: Ist die Menschheit schon bereit
Die Grenzen gänzlich abzuschaffen?
Noch gibt es Hader, Zwietracht, Streit
Da braucht man Staaten, Grenzen, Waffen
Was sagst Du nun zu solchen Thesen?
Zu rechts, zu platt, zu antiquiert?
Sie inhaltlich zu widerlegen
Ist das, was hier gefordert wird
So viele Fragen sind noch offen
Tabus auch hier nicht angebracht
Es wird, so möcht' ich vielmehr hoffen
Das Unbequeme mitgedacht
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