Nachschau
4.10.2019: Ethik ist wichtiger als Religion
Klaus Burghardt
Grundlage für unser Gespräch war
der „Appell des Dalai Lama für eine säkulare Ethik und Frieden“. Man findet den
Text im Internet unter dem Link
Der zweiseitige Appell-Text
befindet sich hinter dem Vorwort von Franz Alt.
Wer mit seinem PC keine
PDF-Dokumente lesen kann: Eine abweichende (besser strukturierte, besser
lesbare) Version / Übersetzung des Appells findet sich hier:
https://www.dharma-university-press.org/component/k2/item/66-friedensappell-des-dalai-lama-2015.html.
Wir haben im Rahmen unseres
Treffens die ersten drei Abschnitte des Appells gemeinsam gelesen und
beprochen.
Es ging dabei um zwei große
Themenbereiche:
1. Religion und Ethik
2. Der freie Wille.
„Seit Jahrtausenden wird Gewalt
im Namen von Religionen eingesetzt und gerechtfertigt.“ lautet der erste Satz
des Appells.
Mehrere Redner (die weibliche
Form ist immer mit gemeint) betonten, dass „nicht die Religionen per se“
gewalttätig seien, sondern dass es auf „die Menschen“, auf „das Umfeld“
ankomme. „Die Religionsstifter haben das Einssein der Menschen erfahren und
daraus gelernt.“ „Nicht die Religionen machen den Menschen aggressiv oder
liebevoll. Es gibt liebevolle Kinder - einfach so, ohne Religion.“
„Das Christentum ist gegen
Gewalt.“ „Jesus: 'Liebe deinen Nächsten'“. Es gebe aber Religionen, wo das
nicht so eindeutig sei. Wem im Paradies 100 Jungfrauen versprochen werden, der
habe möglicherweise ein anderes Verhältnis zu der Frage.
„Religion hat schon was mit der
Gewalt zu tun.“ meinte auch ein anderer Teilnehmer. Wer aus religiösen Gründen
tötet, mit dem muss doch die Religion etwas gemacht haben. „Wenn man glaubt,
dass die eigene Religion das einzig Wahre ist“ dann falle es leichter, andere umzubringen.
Gegenthese: Ursache für Attentate
ist eine „schräge Psyche, aber nicht die Religion“.
Damit waren wir bei dem vom Dalai
Lama angesprochenen Missbrauch der Religion. Solch Missbrauch habe immer auch
mit Gefühlen zu tun. Die Emotionen können einen übermannen. Dann muss die
Vernunft korrigierend zum Einsatz kommen. Und so, wie die Religion „oft
missbraucht oder instrumentalisiert“ wird (Dalai Lama), „um politische oder
wirtschaftliche Interessen durchzusetzen“, geschieht Ähnliches mit politischen
Idealen: „Demokratie wird anderen beigebracht mit Bomben im Namen der
Demokratie“.
Hätten wir uns, wie ein
Teilnehmer meinte, ohne Religion schon alle gegenseitig umgebracht? „Auch
früher hat nicht jeder jeden totgeschlagen.“ hielt ein anderer dagegen.
Und damit haben wir auch den
Übergang zur Ethik. Dabei handle es sich um einen jahrhunderte-, gar um einen
jahrtausendelangen ethischen Reifungsprozess. Der aber auch Schübe erfahren
kann - so z.B. das Erleuchtungserlebnis Thomas von Aquins. Das sei ein
ethischer Quantensprung gewesen gewesen, geboren aus der tranzendentalen Stille
[als Ergebnis der Meditiation (Klaus)].
Die vom Dalai Lama geforderte
„säkulare Ethik“ - wo soll sie herkommen? Wie soll man sich darauf einigen, wie
die Menschen überzeugen? „Toleranz und Nächstenliebe sind dem Menschen nicht
angeboren, die Empathie ist auf wenige Personen beschränkt“ hieß es. Der
Verweis auf Hans Küngs „Projekt Weltethos“ wurde verbunden mit der Information,
dass man sich schon einmal mit dieser Problematik befasst habe.*
„Der Mensch ist dem Menschen ein
Wolf.“ wurden Plautus und Hobbes zitiert. „Ein gewisses Maß an Aggression
steckt drin - und Empathie auch.“
Ist der Mensch von Natur aus gut
oder schlecht? Vermutlich sowohl als auch. Es komme darauf an, gesellschaftliche
Verhältnisse zu schaffen, in denen die positiven Anlagen gefördert und die
negativen möglichst unterbunden oder abgebaut würden.
Hier kommt nun der freie Wille
ins Spiel.
Einige Aussagen:
„Wenn im Gehirn materielle
Prozesse ablaufen - woher soll dann der freie Wille kommen?“
„Über das Unterbewusstsein hat
man keine Kontrolle.“
„Wir haben keine Kontrolle, was
bei den Arbeiten des Gehirns rauskommt.“
„Zu einem gewissen Punkt kann ich frei
entscheiden, welche Musik ich höre.“
„Man kann den Körper zwingen, auch wenn er keine Lust hat. Der Körper
ist nicht vollends bestimmt.“ „
„Systemzwänge und Körpervorgänge bedeuten Unfreiheit. Aber: Reflexion
ist ein Element der Freiheit. Wir durchschauen die Zwänge.“
„Wir sind konditioniert durch Genetik und Sozialisiation und die
jeweilige Situation („le moment“).
„Die Gefühle sind
ausschlaggebend.“
„Freier Wille wäre Wirkung ohne
Ursache.“
„In freier Meditation bin ich die
Ursache. Das ist ein freier Wille.“
„Was ist daran frei? Kann das
Einbildung sein?“
„Kreativität: Man kann ohne
Ursache etwas aus sich selbst heraus schaffen, ohne Ursache.“
„Gibt es Kreativität überhaupt?
Existiert nicht schon etwas, bevor wir es entdecken oder benennen?„Wenn wir
alle so frei wären, das Gute zu tun, warum tun wir es nicht?“
„Spielen hier wieder
gesellschaftliche Strukturen und Interessen eine Rolle?“ (...)
Da das Hauptthema „Religion und
Ethik“ lautete, wollen wir an diesem Punkt auf den freien Willen nicht
ausführlicher eingehen.
Bei unserem nächsten Treffen wollen
wir uns weiter mit dem Appell des Dalai Lama auseinandersetzen.
_____
* Siehe Vorschau und Nachschau
zum 5.2. 2016: Ein Abend mit Professor
R. Mokrosch über Fragen zum
„Weltethos“
https://philosophenrunde-melle.blogspot.com/2016/01/?m=0
https://philosophenrunde-melle.blogspot.com/2016/02/?m=0
Unter den Links geht es auch um „Gewalt und Religion“.
https://philosophenrunde-melle.blogspot.com/2016/02/?m=0
Unter den Links geht es auch um „Gewalt und Religion“.
Ethik
ist wichtiger als Religion. Kommentar
Christian Brehmer
Gemäß der Tiefenphilosophie, wie
sie zum Beispiel von Platon und Aristoteles vertreten wird, gibt zwei Realitäten: eine relative Realität –
das Universum mit unserer Welt und eine absolute Realität, den Urgrund, den
Logos – quantenphysikalisch: das Vereinheitlichte Feld, aus dem alles hervorgegangen
ist. (Vergl. www.bewusstseins-evolution.de)
Und das was hervorgegangen ist,
die Schöpfung, ist schön, ist geordnet und ist gut (solange sich nicht der Mensch einmischt). Mithin müssen u.a. Schönheit, Ordnung =
Wahrheit und das Gute dem
Vereinheitlichten Feld innewohnen.
Der Mensch hat nun die Fähigkeit,
sich von allem Relativen zu lösen, z.B. in der Meditation und vermag in der transzendentalen Stille das Absolute oder das Vereinheitlichte Feld, den
Logos zu berühren – einen Urgrund, der zugleich die Quelle aller
Ethik und Religionen ist.
Erhebungen belegen, dass Menschen,
die regelmäßig meditieren und transzendieren, z.B. in Kohlbergs Stufenmodell moralischer
Entwicklung, überdurchschnittlich gut abschneiden. Der Kontakt mit dem Vereinheitlichten Feld
ist zugleich der Kontakt mit einer naturgegebenen Ethik. „Wir leben in einem liebenden Universum“, resümiert Albert
Einstein. Menschen in unterschiedlichen Regionen der Erde machen
zwar die gleiche Erfahrung, aber
interpretieren und formulieren sie
unterschiedlich. So entstehen die Religionen.
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